Von Zuckerrohr, langhaarigen Wörterbüchern und Caipis
Cachaça – die brasilianische Nationalspirituose – trifft man in Deutschland an fast jeder Ecke. Schließlich ist Deutschland eine der wichtigsten Exportnationen für das Zuckerrohrdestillat. Immer öfter trifft man bezüglich des Themas Cachaça auch Dietrich Flath an, denn er ist einer der wichtigsten Importeure, wenn es um traditionell hergestellte Cachaça geht. Doch wie kommt man dazu, aus der sächsischen Landeshauptstadt Dresden mit einem Diplom in VWL sich die Nächte und Tage um die Ohren zu schlagen im Auftrag einer Spirituose? Wie so oft, beginnt alles ganz anders und nüchtern.
Wie alles begann
Für ein Pflichtpraktikum während des Studiums wollte Dietrich unbedingt ins Ausland reisen und die Welt sehen, denn nach der Universität sollte der Ernst des Lebens los gehen und da kann man die Zeit vorher bekanntlich noch intensiv nutzen. Mit Hilfe der deutschen Handelskammer begab er sich international auf Praktikums-Suche. Neben China und dem Iran bot sich die brasilianische Handelsvertretung der Bundesrepublik an – im Übrigen die größte ihrer Art. Mit Sicherheit sorgten auch klimatische Bedingungen und die Idee von Strand und Copacabana für die Entscheidung, nach São Paulo zu gehen. Die Vorbereitungen verliefen jedoch eher schleppend, zumal die hiesige Lehrerin für Portugiesisch schwanger wurde und er mit kaum vorhandenen Sprachkenntnissen auf die Reise ging – er hatte ja 10 Monate Zeit, die Sprache zu lernen. Man schickte ihn mangels der Sprachdefizite nicht postwendend nach Hause, sondern empfahl „langhaarige Wörterbücher“, denn dies sei der beste Weg Land und Sprache kennen zu lernen. Und diese Wörterbücher trifft man am besten in Bars. Die dortige Barlandschaft war und ist völlig anders, als man es aus Deutschland kennt. Mixologie – sicherlich im Dresden der 1990er Jahre auch eher ein Fremdwort – lässt sich bis heute schwer finden in brasilianischen Bars, dafür aber Unmengen an Bier und eben jene Spirituose, die wie keine Zweite für den Sommer steht: Cachaça. In den schlechtesten Pinten findet man immer mehr als 10 verschiedene Sorten.
Mit diesen Eindrücken kam er nach einem knappen Jahr zurück nach Deutschland. Cachaça kannte hier niemand – und dennoch tranken alle Caipirinha. Doch das, was in Deutschland in die Caipi kam, das hätte man in Brasilien für vieles genutzt – nur nicht zum trinken. Auch die Art und Weise einer deutschen Caipirinha ist ziemlich weit weg vom Original. Wir erinnern uns etwas verschreckt (aber nostalgisch) an die limettige Hölle mit braunem Rohrzucker, durchgequetschten Früchten und dem crushed Ice. Dieser kulturelle Clash zwischen Ursprünglichkeit und deutscher Interpretation führte über einige Umwege dazu, dass sich Dietrich Flath überlegte, Cachaça und damit ein Stück Brasilien nach Deutschland zu bringen.
Doch was hat es eigentlich mit diesem brasilianischen Rum auf sich?
Cachaça ist nach Tequila die älteste destillierte Spirituose des amerikanischen Kontinents. Nur vier Jahre nach dem Agaven-Destillat wird erstmalig 1534 in Brasilien frischer Zuckerrohrsaft destilliert. Von daher ist die Idee, es mit Rum (eigentlich ja noch mehr mit Rhum Agricole) in Verbindung zu bringen, gar nicht so verkehrt. Die USA zum Beispiel erkennen die Kategorie Cachaça erst seit 2013 an – bis dahin wurde das Destillat als brazilian rum verkauft. Ein festes D.O.C-Regelwerk wie wir es bei Cognac oder Champagner finden scheiterte 2002, aber in Brasilien hat man sich dazu entschlossen, bestimmte Gesetzmäßigkeiten zu formulieren. So muss Cachaça aus frischem Rohrzuckersaft (Rum wird zumeist aus Melasse gemacht) in Brasilien hergestellt werden und mindestens 38%vol – maximal jedoch nur 48%vol. Alkohol haben. Dazu dürfen 600 verschiedene Arten des Zuckerohrs benutzt werden. Destilliert kann sowohl in Kolonnen als auch in Pot Stills werden und zur Reifung sind 27 heimische Holzarten und zusätzlich Eichenholz erlaubt. Mit dieser Vielfalt an Aromagebern ist es unsagbar schwer, den typischen Cachaça-Geschmack zu definieren. In der Kategorie unterscheiden sich dann nochmal die traditionellen Destillate – Cachaça artesanal – von den industriellen Destillaten wie Pitu oder Cana Rio. Die Einschränkungen für Cachaça artesanal sind nochmals deutlich strenger. So darf dieser nur in Pot Stills destilliert werden. Auch dürfe keine industriellen Turbohefen benutzt werden, die eine Fermentation in kürzester Zeit ermöglichen würden und das Destillat muss mindestens für 3 Monate lagern, wobei vor allem die Hölzer Umborana, Balsamo und Eiche zum Einsatz kommen – 3 von 28. Selbst das Zuckerrohr muss von Hand geerntet werden. Und genau diese traditionellen Produkte haben es Dietrich Flath angetan und sind nunmehr seit 2002 in seinem kleinen Online-Shop www.cachaca-online.de zu finden.
Saudade – Cheers!
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