Mit dem Glengoyne 10 Jahre haben wir einen Single Malt im Glas, der aus einer der meistbesuchtesten Brennereien Schottlands stammt aber irgendwie dennoch ein verkannter Schatz ist. Ein Whisky zwischen den Highlands und den Lowlands und mit einem tollen Fassmanagement. Dieser Beitrag erschien ursprünglich auf spirit-ambassador.de und hat eine geschätzte Lesedauer von 4 Minuten.
Es gibt so Whiskys, die hat man auf dem Schirm und dann gibt es ganz viele Brennereien, die fallen irgendwie hinten runter. Für viele gehört Glengoyne wohl eher zur letzten Kategorie, ähnlich einem alten Bekanntem, den man immer wieder hier und dort trifft, mit dem man aber irgendwie kaum ein Wort zu wechseln gedenkt. Es ist jedoch nicht nur die interessante und weltumspannende Geschichte dieser 1833 gegründeten Destillerie, die einem diese Beachtung abfordern sollte, sondern es sind vor allem die Whiskys selbst, die viel öfter im Glas landen sollten. Den Anfang nun macht der „einfache“ 10jährige.
Zwischen Highlands und Lowlands
Das Besondere von Glengoyne liegt wohl in erster Linie daran, dass der new make spirit in den schottischen Highlands destilliert wird, während die Reifung dessen in den Eichenholzfässern in den Lowlands Erfolg. Einfach aus dem Grunde, dass die Highland Line – die geografische Trennung zwischen diesen beiden Whisky-Regionen exakt mit der A81 zusammenfällt an deren beiden Seiten sich die Brennerei und die Lagerhäuser befinden.
Geschmacklich spiegelt sich diese Ambivalenz weniger in den Whiskys ab, da ist das weiche Wasser schon entscheidender und die Verwendung ausschließlich schottischer Gerste der Sorte Golden Promise. Diese ist in der Ausbeute von Alkohol nach der Fermentation zwar nicht so ergiebig wie moderne Sorten, bringt dafür jedoch – von den meisten Experten bestätigt – einen außergewöhnlich gehaltvollen und runden Geschmack in das Destillat.
Körper und Kraft
Dieses Destillat geht einen langen Weg, beginnend bei Simpson Maltings, wo es kein bisschen Torf sieht und nur über völlig aromaneutraler heißer Luft gedarrt wird, um dann später in alten, hölzernen wash backs für die lange Zeit von mindestens 56 Stunden fermentiert zu werden. Anschließend wird über die wash in einer großen – 16.520 Liter fassenden wash still destilliert um dann gesplittet in den beiden kleineren spirit stills – jeweils 5.000 Liter – feingebrannt zu werden. Dabei lässt man das Herzstück ganze drei Stunden laufen, um so viele breite Aromen wie möglich in den gewonnenen new make spirit zu überführen. Diese drei Punkte sind es, die dem Destillat von Hause aus eine große Kraft mitgeben.
Zwischen Europa und Amerika
Die dann folgende Reifung auf der anderen Seite der Straße erfolgt in 70% refill ex-bourbon Fässern, 15% first fill Sherryfässern aus europäischer Eiche und 15% first fill Sherryfässern aus amerikanischer Eiche. Diese Sherryfässer spielen seit 1870 eine bedeutende Rolle in der Reifung der Whiskys von Glengoyne. Die Aufsplittung jener in europäische und amerikanische Eichentypen ermöglicht ein sehr exaktes Arbeiten bezüglich der würzigen Struktur der Whiskys, während die refill – ex-bourbon Fässer – Fässer werden bei Glengoyne maximal 3-mal belegt – vor allem den Fokus auf das körperreiche Destillat lenken.
Die Gefahr einer Verwechslung
Im Glas erscheint der 10jährige Glengoyne kupferfarbend mit grünen Reflexen. Mit dem ersten Augenblick – eigentlich schon mit dem Öffnen der Flasche verbreitet sich ein fruchtiger Duft in der Nase und der allererste Gedanke ist Apfel! Eine Mischung aus herben und Säure-betonten, grünen Äpfeln. Man kann förmlich diese Obstwiesen sehen. Die dazugehörigen Gewürze lassen ihn erstmal etwas kantig erscheinen, doch durch Nuancen von Trockenfrüchten findet sich schnell eine fantastische Balance. Typische Fassaromen werden zunehmend stärker und man möchte sich nicht ausmalen was passieren würde, wenn man diesen Whisky in eine Calvados-Blind-Verkostung gäbe.
Zwischen Obst und Kuchen
Die Gewürze verfeinern sich zu Pfeffer und Muskat und diese gesamte aromatische Melange beginnt immer mehr an Apfelkuchen zu erinnern. Dazwischen immer wieder malzige Töne, eine Nussigkeit und Kräuter. Je länger der Glengoyne 10 im Glas steht, desto milder wird er. Mit der Zeit macht sich das Fass immer mehr bemerkbar, doch die Fruchtigkeit der Äpfel ist und bleibt der olfaktorische Angelpunkt. Die Gewürze wirken intensiver, gar griffiger und tanniniger – hier spielt europäische Eiche ihre Kraft sehr gut aus. Und immer wieder diese Idee von Malz, die einen das Bild vom Apfelkuchen nicht vergessen lässt.
Im Mund stellt sich der Malt deutlich weicher dar als anfänglich vermutet – er wirkt generell noch frischer. Die Apfelaromen bleiben auch hier das zentrale Moment, zu dem sich Nüsse gesellen. Von dieser Aromatik leitet sich auch eine leicht fettige Textur ab, die von den Gewürzen – Pfeffer und Muskat – abwechslungsreich in Szene gesetzt wird. Dazu entwickelt sich allmählich eine leichte und feine Zitrusnote, die als Kontrapunktion hervorragend in das aromatische Bild passt. Dadurch wirkt der Whisky noch frischer und spritziger.
Auch am Gaumen werden mit der Zeit die Gewürze prägnanter, ohne dem Apfel die Show zu stehlen. Die Textur wird trockener und nicht mehr ganz so ölig. Ein erster Gedanke, dass der Glengoyne nach hinten raus im Nachklang schlanker erscheint, wird durch wiederkehrende Nussaromen entkräftet. Über all diesen Entwicklungen herrscht jedoch unvergesslich der Apfel in all seiner Bandbreite und wird nunmehr im Nachklang von grasigen Noten, an Farnkräuter erinnernd, unterstützt.
Selbst im langen Nachklang ist die Dynamik dieses vermeintlich einfachen Whiskys fast schon spektakulär.
Potential zum Klassiker
Warum nun Glengoyne bei so vielen eher als hidden champion gesehen wird, ist spätestens nach dieser Einstiegsabfüllung schwer verständlich. Es sind nicht unendliche viele Aromen, die sich hier auf der Zunge entwickeln, aber dies dafür mit umso mehr Dynamik und Freude. Ein toller Malt, den man einfach öfter im Glas haben sollte – vor allem in der wärmeren Zeit. Ein idealer Begleiter für Frühling und Sommer. Und beides steht ja nun langsam vor der Tür.
Allgemeine Informationen
- Hersteller: Glengoyne Distillery
- Alter: 10 Jahre
- Alkoholgehalt: 40% Vol.
- Farbstoff: Nein
- Kühlfiltration: n.n.
Vielen Dank an Borco für die Bereitstellung der Flasche. Außer Whisky ist hier nix geflossen.